Stefan Rodenhäuser

Mobbing-Betroffene dürfen in gerichtlichen Auseinandersetzungen auch starke,
eindringliche Ausdrücke und Schlagworte benutzen, um die eigene Rechtsposition
zu unterstreichen. ... dem Prozessbevollmächtigten der Arbeitgeberin wurde im
Gütetermin vorgeworfen Lügen und Verleumdungen über ihn verbreitet zu haben.

Rechtsanwalt Stefan Rodenhäuser (VPSM-Fachverbund: Berlin) 
informiert uns über ein aktuelles Urteil des Bundesverfassungsgerichtes:

S. Rodenhäuser


"Mit Beschluss vom 08. November 2016 (Aktenzeichen 1 BvR 988/15) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Mobbingbetroffene in gerichtlichen Auseinandersetzungen auch starke, eindringliche Ausdrücke und Schlagworte benutzen dürfen, um die eigene Rechtsposition zu unterstreichen.

Während eines Rechtsstreits um Schadensersatzansprüche wegen Mobbings rief der Beschwerdeführer -ohne sachlichen Anlass und ohne Einschaltung des eigenen Anwalts - den Prozessbevollmächtigten der Arbeitgeberin an und warf diesem vor, im Gütetermin Lügen und Verleumdungen über ihn verbreitet zu haben. Dies nahm die Arbeitgeberin zum Anlass, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

Das Arbeitsgericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Im Berufungsverfahren löste das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis nach §§ 9, 10 KSchG gegen eine Abfindung auf und begründete dies damit, dass zukünftig eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht zu erwarten sei. Dabei stellte es nicht nur auf das Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Arbeitgeberin ab, welches belege, dass der Beschwerdeführer seiner Arbeitgeberin und seinen Vorgesetzten zutraue, ihn gezielt und in strafbarer Weise Schaden zufügen zu wollen, vielmehr zeige sich - neben dem Vorbringen im Schadensersatzprozess - an zahlreichen, vom Landesarbeitsgericht im Einzelnen beschriebenen Vorfällen eine negative innere Einstellung des Beschwerdeführers zu seiner Arbeitgeberin, die in seiner Persönlichkeit angelegt und damit nur schwerlich abänderbar sei. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, das Landesarbeitsgericht habe sein Vorbringen im Schadensersatzprozess zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses herangezogen, ohne bei der Bewertung des Vorbringens die Meinungsfreiheit und die Prozessgrundrechte beachtet zu haben.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. In seiner Begründung führt es unter anderem aus, dass bei der Prüfung, ob eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien zu erwarten ist, auch Äußerungen aus dem laufenden Gerichtsprozess zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden dürfen. Allerdings seien grundsätzlich auch wertende Äußerungen im Prozess durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und, soweit sie im Hinblick auf die konkrete Prozesssituation zur Rechtsdurchsetzung geeignet und erforderlich erscheinen, gleichzeitig durch Art. 103 Abs. 1 GG geschützt. Verfahrensbeteiligte dürften in gerichtlichen Auseinandersetzungen auch starke, eindringliche Ausdrücke und Schlagworte benutzen, um die eigene Rechtsposition zu verdeutlichen. Diese Maßgaben seien gerade bei der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Mobbings zu beachten, da Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang unerlaubte Handlungen des Arbeitgebers darlegen und beweisen müssen, sich also zwangsläufig negativ über den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder auch Kolleginnen und Kollegen äußern.

Im vorliegenden Fall hatten diese Ausführungen dem Beschwerdeführer allerdings nichts genutzt, da das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung auch mit anderen Vorfällen begründet hatte und das Bundesverfassungsgericht die Sachentscheidungskompetenz hier bei den Fachgerichten sieht.
Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass die Verwendung starker Ausdrücke ein zweischneidiges Schwert bleibt: es mag zwar erlaubt sein, kann aber auch zu Lasten des Arbeitnehmers gewertet werden. Dies dürfte insbesondere dann gelten, wenn dies ständig erfolgt. Das Gericht kann dann – fälschlicherweise -zu dem Schluss kommen, dass es sich nicht um Mobbing handelt, sondern um einen „normalen“ Arbeitsplatzkonflikt, der eben nicht von dem Mobber ausgegangen ist, sondern von beiden Seiten zu verantworten ist.

Die Entscheidung kann im Volltext eingesehen werden unter:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/…/rk20161108_1bvr098…"

Stefan Rodenhäuser 
Rechtsanwalt
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