Gedemütigt, beleidigt, angegriffen

Verein berät und hilft bei psychosozialem Stress und Mobbing
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Frankfurter Rundschau

Von Lia Venn


Mobbing ist kein Kavaliersdelikt. Mitarbeiter und Kollegen systematisch zu schikanieren, führt bei den Betroffenen zu Krankheit und Depression. Auch das gesamte Team und das Unternehmen können Schaden nehmen, wenn ungelöste Konflikte bedrohliche Ausmaße annehmen. Davor warnt der Wiesbadener Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing. Zur Finanzierung kostenloser Beratungen sucht er nach Förderern.

WIESBADEN. Bis 1995 dachte der Sozialpädagoge Lothar Drat über Mobbing: „Kokolores, Modebegriff“. Dann befasste er sich mit Forschungen zum Thema und nahm die Sache so ernst, dass er zusammen mit elf anderen den Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing gründete.

Immerhin ist im Durchschnitt jeder vierte Mitarbeiter in seinem Berufsleben von Mobbing betroffen. Drat hatte Glück: Seine Motivation war keine persönliche Leidensgeschichte, sondern der Wunsch, „ein wenig die Welt zu verändern“. Nach fast acht Jahren in der Beratungsarbeit sagt der 49-Jährige das mit einem nachsichtigen Lächeln. …

Betroffen sind nach Drats Erfahrung ebenso viele Frauen wie Männer.

Mobbing bedeutet in der Übersetzung so etwas wie Anpöbeln. Fast harmlos. „Der Begriff Mobbing mag neuer sein, aber was sich dahinter verbirgt, gibt es schon so lange und es ist dramatisch“, sagt Drat. Mobbing definiert er als systematisch betriebene Angriffe, Demütigungen, Beleidigungen und psychische Gewalt gegen eine Person. Mobbing sei ein komplexer psychosozialer Prozess mit vielfältigen Folgen und Ursachen. Als „Ursachen-Bündel“ erkennt Drat meist Störungen in der Arbeitsorganisation, in der Leitung und Supervision der Arbeit, sowie in der Sozial- und Handlungsdynamik der Teams. Dem Mobbingprozess gehe häufig ein Konflikt voraus, der lange ignoriert, geduldet oder sogar gefördert worden sei. Bei schlechtem oder fehlendem Konfliktmanagement könne so einfließender Übergang zum Mobbing entstehen.

Die Folgen für die Arbeitnehmer seien immens: psychosomatische, und in der Folge psychische und körperliche Erkrankungen, im fortgeschrittenen Stadium auch posttraumatische Belastungsstörungen, die zu generellen Angststörungen werden könnten und die Persönlichkeit des Betroffenen verändern. Dadurch könne der Betroffene seinen Arbeitsplatz verlieren und nicht selten Freunde, Familie und Partner.

Für die Arbeitgeber könne ein schlechteres Betriebsklima die Folge sein, geringere Motivation und Leistungsbereitschaft, reduzierte Kreativität und Initiative. Das Ansehen der Firma könne zudem Schaden nehmen und es komme zu erhöhten Kosten durch Fehlzeiten. Auch die Gesellschaft nehme Schaden durch Mobbing und die Folgen, denn es entstünden Mehrkosten zu Lasten der Versicherungsträger und Steuerzahler.

Das häufigste Mobbingproblem sei die Verbreitung von Gerüchten und eine bewusst kränkende, negative Bewertung der Arbeitsleistung. „Interessant ist, dass es besonders im Öffentlichen Dienst und im Sozialwesen vorkommt – also gerade da wo Menschen Hilfe suchen“, sagt Drat. …“ Wo Leistung klar messbar ist, kommt Mobbing nicht so häufig vor“.

Lothar Drat warnt aber auch vor einer „Hysterisierung“ des Problems. „Bei den monatlich etwa 80 bis 170 Beratungsstunden arbeiten wir bei über zwei Dritteln der Fälle an Konflikten, bei denen es gar nicht oder noch nicht um Mobbing geht“.

Der Verein finanziert sich über seine 235 Förderer. … Eine Beraterstunde kostet den Klienten 59 Euro, davon übernimmt der Verein 40 Prozent. Kostenlose Beratung wird vom 1. August an donnerstags von 12 bis 15 Uhr angeboten.
„Damit wir die kostenlose Beratung noch ausbauen können, suchen wir dringend nach weiteren Förderern“ sagt Drat. „Unser Ziel ist es, auch von 15 bis 19:30 kostenlose Beratung anzubieten, denn der Bedarf ist da“.

Die Stadt oder Krankenkassen – „die uns leider noch nicht unterstützen“ – sowie private Personen oder Unternehmen können eine frei gewählte Anzahl von Beraterstunden für einen selbst gewählten Zeitraum finanzieren.

Hilfe gegen Mobbing

„Es geht nicht darum, wer schuld ist und wie hoch die Strafe sein muss, wir sind eher die Feuerwehr, die ein akutes Problem lösen will“, betont Lothar Drat vom Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing (VPSM). Zu helfen versucht der gemeinnützige Verein mit Beratungen, er übernimmt Schlichtungsverfahren und Mediationen, kann arbeitsrechtlichen Rat geben und Anwälte vermitteln.

Außerdem bietet er Referate, Seminare und Schulungen an sowie Weiterbildungen zum Arbeitsplatzkonflikt- und Mobbingberater.

Angriffe, Intrigen, Rechtsbeugungen, Verleumdungen, Kränkung und Psychoterror in der Arbeits- und Privatsphäre sei nur da möglich, wo sie ignoriert, geduldet
oder gar gefördert würden. Dem versucht der VPSM psychische Gesundheit am Arbeitsplatz entgegenzusetzen, die durch Fairplay, Respekt, Achtung, Zivilcourage und Solidarität erreicht werden könne. Das wiederum führe zu Leistung, Innovation und Produktivität.

Wer den Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing (VPSM) unterstützen möchte, kann sich an die Beratungsstelle wenden, Riederbergstr. 73, 0611/9570381 und -5329861. (FAX 0611/5329862). VPSM im Internet: www.vpsm.de . E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

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VPSM - Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing e.V.
Am Burgacker 70, 65207 Wiesbaden
0611 - 54 17 37
beratung@vpsm.de
Mo-Fr: 10.00 - 18.00

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