Interview mit Lothar Drat
Koordinator des VPSM-Fachverbundes der Unabhängigen Arbeitsplatzkonflikt- und Mobbingberatungsstellen / Experten
Moderatorin: Petra Waldvogel
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Interview SWR 1
"Der Abend" 17.07.07 21.00 Uhr

Thema: Mobbing

SWR 1 der Abend: Mobbing das ist ein Begriff den Konrad Lorenz 1963 schon und eigentlich fürs Tierreich geprägt hat und zwar hat er damit den gemeinsamen Angriff von Gänsen zum Beispiel auf einen Eindringling gemeint. Und das kann dann auch ein eigentlich viel stärkerer Fuchs sein. Inzwischen ist Mobbing was ganz anderes, Lothar Drat ist Mobbingexperte, nämlich Leiter der Beratungsstelle "Balance" vom Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing.

Guten Abend Herr Drat!

Schönen guten Abend!

Herr Drat, Mobbing, können Sie das für uns ganz kurz und doch verständlich definieren?

Ja, es handelt sich in Abgrenzung zu normalen Konflikten am Arbeitsplatz die
man z.T. einfach auch erdulden muss auch wenn sie mitunter weh tun, um ein systematisches Angreifen über einen längeren Zeitraum ein systematisches demütigendes Angreifen gegenüber einer Person mit dem Ziel oder mit dem Effekt diese Person rauszukicken.

Man möchte jemanden gezielt fertig machen. Wie das läuft, wie viele davon tatsächlich betroffen sind, Herr Drat, darüber werden wir gleich weiter reden in
SWR 1 der Abend.

OK!

Und wie es sich im ganz konkreten Fall anfühlt, das weis diese Frau aus Baden Württemberg.

...

Mobbing, der ganz alltägliche Horror. Ihre Erfahrungen in Swr 1 der Abend, wir sind immer erreichbar unter der 0 180 3 20 25 11 oder per mail ins Studio unter www.swr1.de

Mobbing, das ist der gezielte Angriff unter die Gürtellinie vom Kollegen, oder schlimmer noch, vom Chef selbst. Das ist die alltägliche Schikane, die Demütigung mit dem Ziel den anderen fertig zu machen, ihn los zu werden. Das hat Lothar Drat gerade erklärt, er ist Leiter der Beratungsstelle Balance vom Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing. Herr Drat, Mobbing, das betrifft eigentlich uns alle. Zwei Millionen Menschen, das ist jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland etwa, ist mindestens einmal in seinem Berufsleben solchen Angriffen ausgesetzt. Das ist eine dramatische Zahl, jetzt sagen aber ausgerechnet Sie, Mobbing, das ist auch ein Modebegriff, sind diese zwei Millionen also Simulanten?

Nein, es handelt sich nicht um Simulanten, sondern wir vermerken auch eine Entwicklung, dass wir nach vielen Jahren Arbeit darüber zu informieren wie hässlich, vernichtend und auch kostenträchtig dieser Prozess ist, den wir mit Mobbing beschreiben, leider er selbst zu einem Modebegriff droht (immer mehr)
zu verkümmern, das heißt also mitunter kommen auch Personen zu uns die systematisch den unberechtigten Vorwurf Mobbing erheben, oder sich von Dingen gemobbt fühlen wie: das schlechte Wetter, der Bundeskanzler, etc. Wenn wir das was wir mit Mobbing beschreiben genauer beobachten, finden wir in etwa zehn Prozent der Fälle vielleicht wirklich diesen extrem, ja, bösen, perversen Charakter der einen anderen nicht nur aus dem Betrieb raus treiben will sondern ihn vielleicht auch endgültig vernichten möchte. Aber in der Mehrzahl der Fälle beobachten wir ein Ursachen- und Folgenbündel, das eher einen Unfallcharakter darstellt, von Prozessen unter denen alle leiden. Nicht zuletzt natürlich auch eine kleine Schnittmenge von Personen die durch ihren eigenen Anteil ein wenig diese Prozesse auch provozieren.

Sie sagen, nicht jedes Mobbingopfer ist auch tatsächlich ein solches, kann man denn dennoch sagen das es insgesamt heutzutage mehr Mobbing gibt, das es verbreiteter ist als noch beispielsweise vor zehn Jahren?

Es gibt keine Langzeitstudien, wir vermerken aber auch wie auf anderen Ebenen psychischer und körperlicher Gewaltanwendung das dort wo Gewalt
heute angewandt wird, sie tiefer reingeht, das sie enthemmter stattfindet.

Das heißt nicht unbedingt mehr, aber schlimmere Formen von Mobbing?

Ja, die Gewaltforschung betätigt ja auch, das da wo Gewalt stattfindet, sie nicht unbedingt häufiger im Sinne von mehr Einzeltaten, sondern intensiver,
tiefer stattfindet.

Und woran liegt das? Hat es damit zu tun, dass die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt einfach stärker geworden ist, oder womit hängt das zusammen?

Das ist mit Sicherheit ein Faktor, wenn wir an Zeiten der Vollbeschäftigung zurück denken, dann war es ja früher leichter möglich auch bestimmten Prozessen zu entfliehen durch Kündigung. Mitunter sind heute mehr Personen gezwungen
zu verharren.

Sie sagen, das ist ein Faktor, was wären weitere?

Na, der gesamtgesellschaftliche Werteverfall oder das brüchig werden von Werten, zum Teil unverzichtbare Werte, wie Respekt, Achtung, Solidarität.

Menschlichkeit, Mitmenschlichkeit?

Richtig, richtig, das heißt wir entwickeln uns zunehmend in eine Verunsicherungs- oder auch Angstgesellschaft. Das heißt der Kampf um Macht wird in breiten Teilen der Gesellschaft wichtiger als der um Ziele und dies leben ja zum Teil auch einzelne Politiker in Parteien vor und wird vom Volk und auch halt auch von gewaltbereiten Jugendlichen kopiert.

Und im Fernsehen sieht man es sowieso. Die Ursachen sind vielschichtig. Über die verheerenden Folgen, Herr Drat, und zwar nicht nur für die Opfer, würde ich nachher gerne weiter mit Ihnen sprechen. Als nächstes hören wir aber erst mal in einer Reportage aus Ludwigshafen wie Hilfe für Mobbingopfer aussehen kann.

Mobbing, wenn Kollegen zu Feinden werden, die einen systematisch fertig machen, vernichten wollen, so in etwa hat das unser Mobbingexperte Lothar Drat aus Wiesbaden vorhin in SWR 1 der Abend beschrieben. Am Telefon ist jetzt Max B. Bauleiter aus ... guten Abend Herr B.

...

Nicht jeder kann das aus eigener Kraft schaffen. Wo man Hilfe bekommen kann, das hören wir als nächstes in SWR 1 "Der Abend".

SWR 1 der Abend, Mobbing, das hat nichts mit den großen und kleinen Sticheleien unter Kollegen zu tun, damit ist auch nicht die notwendige, sachliche Kritik gemeint, die nun mal zum Arbeitsleben gehört. Mobbing, das ist der gemeine, dauerhafte Angriff mit dem Ziel einen Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes fertig zu machen, so wie es der SWR 1-Hörer Herr B. gerade erzählt hat. Alleine wehren können sich die Opfer dagegen kaum, sie brauchen meistens Hilfe

...

Gleich spreche ich in SWR 1 Der Abend noch mal mit unserem Wiesbadener Mobbingexperten Lothar Drat über Wege aus der Mobbingfalle.

Mobbing, die Sekretärin, die mit dem Bleistift in den Keller verbannt wird, weil
man sie auf die miese Tour loswerden will, das ist sicher ein extremes Beispiel
aber nicht das Äusserste und auch kein Einzelfall. Unser Mobbingexperte Lothar Drat hat vorhin in SWR 1 "Der Abend" schon erklärt, dass Mobbingopfer oft tatsächlich vernichtet werden sollen. Jeder sechste Selbstmord, so die Forschung ist direkt oder indirekt die Folge von Mobbing. Die schlimmste Folge, die zu verhindern auch Ihre Aufgabe ist, Herr Drat, wo und wie können Sie denn eingreifen um dem Mobbingopfer zu helfen?

Es gibt vielfältige Möglichkeiten. Es gibt in der Regel immer mehr als einen Weg.
Wir selbst geben den Weg nicht vor, sondern werden uns bemühen schon in der Erstberatung ein deutliches Bild über das Ursachen - Folgen - Bündel und auch
vom Klienten was die Folgenseite angeht, - psychische, psychosomatische, und auch körperliche, reaktive Reaktion zu erfahren, um dann auch auf dem
Hintergrund dessen, wo jemand hin möchte, was eine der Kernfragen ist:

* möchte jemand seine Situation vor Ort noch verändern oder sucht er auf dem Hintergrund der Erfahrung die bestmögliche Form der Verabschiedung.

* Das ist eine der zentralen Fragen zu Anfang eines Prozesses.

Kann man davon ausgehen das es in einem Betrieb immer mehr als ein
Mobbingopfer gibt, weil der Fehler im System steckt, weil grundsätzlich
was falsch läuft?

Beides ist möglich. In der Regel ist es ein Ausdruck von vielleicht der zweiten, dritten, vierten Umstrukturierung innnerhalb kürzester Zeit, vielleicht auch schlechter Unternehmensberatung. Zum Teil trägt jeder Betrieb, jede Institution auch Ihre Einrichtung, das Risiko sich auch jemand falsches einzukaufen der als, vielleicht so etwas wie Bin Laden oder ähnliches rumwütet im Kontext.

Und das hat, haben wir schon gehört, teilweise fatale Folgen für die Opfer, aber es
kann auch fatale Folgen für den Betrieb haben, weil in einem Büro beispielsweise in dem gemobbt wird, wird nicht mehr gearbeitet, sagen Sie, stimmt das so?

Das ist richtig, ... Die Reibungsverluste sind sehr groß, die Kosten sind, -
wären vielleicht am besten darzustellen wenn man sich vorstellt eine
Führungskraft bei Audi, VW oder Mercedes, die kurz vor der Vollendung der Entwicklung des Einlitermotors steht, würde systematisch gemobbt, das ist nicht nur ein endgültiger Wettbewerbsnachteil für diesen großen Automobilkonzern, sondern hat auch volkswirtschaftlich eine Bedeutung.

Mobbing, die Ellenbogen einsetzen, versuchen das Beste für sich herauszuholen,
auch wenn es auf Kosten Anderer, der Kollegen, geht. Denken Sie das Mobbing überhaupt auszurotten ist, das man es irgendwann mal für immer beendet haben könnte?

Nein, kluge Menschen die sich in der Bibel auskennen finden viele Beispiele auch schon in der Bibel die man mit Mobbing beschreiben könnte. Ich denke Mobbing
gab es schon immer, wird es auch immer geben, man kann nur deutliche Signale setzen, dass man es nicht wünscht und man kann Instrumentarien entwickeln
das dann wenn es, - und es kann in jeder Institution, jedem Betrieb auftauchen-, dass, dann wenn es passiert man sehr rasch und konstruktiv damit umgeht.

Und man kann sich, wenn man das Gefühl hat Hilfe zu brauchen, rechtzeitig um
solche bemühen, zum Beispiel beim Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing e.V. und den Kontakt finden sie ganz leicht unter www.vpsm.de . Herr Drat, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.

Gerne!

Mobbing, jeder vierte Deutsche wird in seinem Berufsleben einmal Opfer, es betrifft sozusagen uns alle, kann jedem von uns passieren und das zeigen auch die vielen Hörer-Reaktionen,

...

Mobbing, das ist ein sehr spannendes Thema, das ist ein Thema das uns alle betrifft und mit dem wir uns in SWR 1 "Der Abend" sicher noch einmal beschäftigen werden.

Ihnen allen, die dazu Stellung bezogen haben, die man, die wir vielleicht nicht alle in
der Sendung unterbringen konnten, erstmal an dieser Stelle vielen Dank.

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