Klaus Wolf (VPSM-Fachverbund Würzburg) im Interview
Mobbing: Ein gesellschaftliches Problem einer “Ellenbogen-Gesellschaft”
Würzburg erleben am 01.04.2015
Ausgrenzen, auslachen oder ausspielen
Täter, Opfer oder Beobachter – Mobbing kennt jeder. Gerade der Berufsalltag oder die Schule geben eine große Angriffsfläche für diese Schikane. In den Schulen werden die Opfer oft ausgegrenzt, wegen ihrer Kleidung oder ihrem Verhalten ausgelacht. In der Arbeitswelt wird das Mobbing dann auf einer anderen Ebene ausgetragen. Hier werden den Opfern Informationen vorenthalten oder Arbeitsleistungen schlecht geredet. Wir haben mit Mobbing-Berater Klaus Wolf aus Würzburg ein Interview zum Thema Mobbing geführt.
Herr Wolf, wie viele Mobbingfälle gibt es in Würzburg bzw. sind bekannt?
K.W.: “Für Würzburg kann ich keine dokumentierten Fallzahlen angeben, da die ganze Region Unterfranken zu meinem Einzugsbereich gehört. Im Bereich der Stadt Würzburg gab es im Jahr 2012 80.200 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer. Nach dem Mobbing-Report aus dem Jahr 2002 sind in Deutschland ständig 2,7 % der Erwerbstätigen von Mobbing betroffen. Demzufolge müssten rein statistisch gesehen 2.165 Erwerbstätige in Würzburg ständig von Mobbing betroffen sein.
Würzburg hat ca. 18.000 Schüler/innen. Studien belegen für die Schulen, dass 5 – 9 % der Schülerinnen und Schüler andere ein- oder mehrmals in der Woche mobben. Demzufolge müssten in Würzburg 900 bis 1.620 Schüler/innen ständig von Mobbing betroffen sein.”
In welchen Bereichen bzw. Schichten treten diese Schikanen vermehrt auf?
K.W.: “Im Bereich der Arbeitnehmer wird am häufigsten in den Sozialberufen (Erzieherinnen, Lehrer und Sozialpädagogen) und den Gesundheitsberufen (Alten- u. Krankenpflege) gemobbt. Danach folgen die Öffentliche Verwaltung und die Banken. Die geringste Gefahr gemobbt zu werden, besteht in den Bereichen Land-, Forstwirtschaft und Gartenbau. Mobbing geht durch alle gesellschaftlichen Schichten und ist auch keine Frage der Intelligenz.
Bei Schülern beginnt das Mobbing in der 2. oder 3. Klasse. In diesen Jahrgangsstufen werden eher schüchterne oder körperlich schwache Schüler gemobbt. In den höheren Klassen bezieht sich das Mobbing dann mehr auf die Kleidung oder ob jemand als Streber gilt. Hier spielen dann auch die ersten gegengeschlechtlichen Beziehungen als Mobbinghintergrund eine Rolle.”
Welche Altersgruppen sind am häufigsten betroffen?
K.W.: “Schüler (siehe Absatz vorher). Im Arbeitsleben werden auf der einen Seite mehr junge Arbeitnehmer gemobbt. Im Mobbing-Report fand man heraus, dass die Mobbinghäufigkeit abnimmt, wenn ein Arbeitnehmer ca. 7 Jahre im Beruf ist und mit seinen beruflichen Kenntnissen als gefestigt gilt. Ab einem Alter von 45 Jahren steigt die Mobbinghäufigkeit wieder an. Hier wollen Arbeitgeber Mitarbeiter oft loswerden, weil sie anscheinend zu teuer sind oder wenn diese durch junge Mitarbeiter ersetzt werden sollen, gehen Vorgesetzte davon aus, dass Junge sich noch gut nach dem Willen des Vorgesetzten formen lassen.”
Was kann z.B. eine Schule zur Prävention tun?
K.W.: “Zunächst muss sich die Schule eingestehen, dass es auch in ihren Reihen Mobbing geben kann. Zur Sensibilisierung aller Schüler und Lehrer sollte die Schule zum Thema Mobbing eine Projektwoche durchführen. Hier gibt es einen guten Arbeitskoffer von der Techniker Krankenkassen. Anschließend sollten Schüler zu sog. Streitschlichtern ausgebildet werden. Diese sind bei einem Streit an der Schule dann die ersten Ansprechpartner. Weiterhin braucht es einen speziell für das Thema Mobbing geschulten (Sozial)-Pädagogen oder Psychologen an der Schule. Diese Person ist dann die Clearingstelle.”
Was kann man zur Vermeidung solcher Fälle tun und wie lässt sich eine Verschärfung der Lage vermeiden?
K.W.: “Sowohl in der Schule als auch am Arbeitsplatz braucht es zunächst eine Sensibilisierung aller für das Thema eskalierende Konflikte und Mobbing. Dann braucht es eine Anlaufstelle mit speziell ausgebildeten Konfliktvermittlern oder –lotsen. Insgesamt ist Mobbing ein gesellschaftliches Problem, das immer mehr zunimmt. Hintergrund ist eine Entsolidarisierung der Gesellschaft seit den 80er Jahren. Die Gesellschaft entwickelt sich seit dem, hin zu einer “Ellenbogen-Gesellschaft”, in der das Individuum mit seinen Möglichkeiten und seiner Durchsetzungsfähigkeit immer größeren Raum bekommt.”
Wie werden Konflikte in solchen Fällen am besten gelöst?
K.W.: “Am besten lässt sich ein Konflikt mit einem gut ausgebildeten Konfliktvermittler lösen. Wichtig ist für jeden, der einen Konflikt erlebt, dass dieser nicht länger als 2 bis 3 Wochen andauert. Nicht gelöste Konflikte werden oft verschleppt und drohen dann irgendwann zu eskalieren. Deshalb kann man nicht früh genug eine Konfliktklärung herbeiführen. Wenn die Situation schon zu Mobbing ausgeufert ist und dieses sich schon länger etabliert hat, gibt es oft nur noch die Möglichkeit die Schule oder den Arbeitsplatz zu wechseln.”