"Chefs sind meistens die Opfer und nicht so sehr die Täter"
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Der gemeinnützige Verein gegen psychosozialen Streß und Mobbing wird getragen von Arbeitgebern, Kirchen und Gewerkschaften. (Dies wäre schön und hätten wir wohl auch verdient; - entspricht jedoch leider in keinster Weise der Realität und habe ich in dem Interview auch nicht gesagt!)
Lothar Drat, der Vorsitzende, sagt: Mediation kann Mobbing vermeiden.

FRAGE: Herr Drat, Streitereien im Betrieb gibt es viele. Ab wann beginnt Mobbing?

ANTWORT: Mobbing bedeutet, daß über einen längeren Zeitraum systematisch auf einen anderen losgegangen wird, um einen Effekt zu produzieren. Dieser Effekt hat meist das Ziel, das Opfer aus seiner beruflichen Stellung herauszuboxen. Nur wenn diese drei Aspekte zusammenkommen - Zeitraum, Systematik und Effekt -, wird jemand gemobbt.

FRAGE: Eine einmalige, inhaltlich begründete Kritik vom Chef zählt nicht dazu?

ANTWORT: Nein, auch dann nicht, wenn es sehr oft zu inhaltlich begründeter Kritik kommt. Ebenfalls kein Mobbing ist es, wenn ich mich montags gegenüber meinem Arbeitskollegen freue, daß München verloren hat, auch wenn der Bayern-Fan ist.

FRAGE: Man stellt sich den klassischen Mobbing- Täter meist als fiesen Chef vor ...

ANTWORT: ... dabei sind Chefs (mitunter nicht selten zugleich auch) ... Opfer und nicht ... (Grundsätzlich) ... Täter! Die Opfer stammen zu 40 Prozent aus einer Gruppe, in der ich sie früher selbst nicht vermutet hätte: Es sind die kreativen innovativen Leistungsträger im mittleren Alter. Sie haben Positionen, um die sie von anderen beneidet werden. Dieser Neid darf nicht unterschätzt werden. Er läßt destruktive Kräfte frei. (u.a. auch) Neid macht (innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen, denen man durchaus präventis begegnen kann) aus Arbeitskollegen Täter. Daneben gibt es aber auch noch die klassischen Mitläufer. Wir kennen das aus der Schule: Da wird einer von wenigen aktiv gehänselt, und die anderen machen passiv mit. Das sind auch keine Chefs, sondern einfache Angestellte.

FRAGE: Werden Frauen häufiger gemobbt?

ANTWORT: Genaue Zahlen gibt es nicht. Wir vermuten aber, daß Männer auch sehr häufig gemobbt werden, ohne das zuzugeben. Vielleicht ändert sich das in zehn Jahren. Die Dunkelziffer ist da noch sehr groß.

FRAGE: Mit dem AGG, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, wurde eine Beweislastverteilung eingeführt. Der potentielle Täter muß beweisen, nicht gemobbt zu haben.

ANTWORT: Ein Fortschritt mit Gefahren.

In Frankreich gibt es die Beweislastumkehr schon länger. Dort wurden Chefs des Mobbings bezichtigt, die nachweisbar keines begangen hatten, genau dies aber nur sehr aufwendig darlegen konnten. So wurden sie zu Mobbing-Opfern. Wir kennen das bei den Vorwürfen über einen sexuellen Mißbrauch.

In manchen Fällen ist der Vorwurf unbegründet. Der vermeintliche Täter lebt dann mit einem Stigma und ist das wahre Opfer.

FRAGE: Trotzdem könnte das AGG Opfern helfen.

ANTWORT: Die Frage muß vorher ansetzen: Müssen wir überhaupt die Justiz bemühen? Eine gerichtliche Auseinandersetzung ist schwierig und langwierig. Außerdem: Welche Möglichkeiten hat eine 50jährige Angestellte, die zwar einen Prozeß gewinnt, aber ihren Arbeitsplatz verliert? Wir denken, daß Schlichtung, Vermittlung und Mediation der bessere Weg sind. Mobbing ist in erster Linie kein juristisches, sondern ein psychologisches Problem. Deshalb lösen wir die Fälle, die uns bekannt werden, auch über einen ganzheitlichen Ansatz mit Psychologen, Pädagogen, medizinischen Fachkräften und Juristen - aber nicht ausschließlich Juristen.

FRAGE: Wie lange dauert Ihr Einsatz in der Regel?

In den meisten Fällen, in denen wir als "externe Feuerwehr" tätig sind, reicht (als erster Schritt zur Veränderung - für alle Beteiligten) ein Nachmittag, um die Kuh vom Eis zu bekommen. Die Gespräche finden an einem neutralen Ort statt. Nur in 10 Prozent aller Fälle wird eine Mediation mit mehreren Terminen gewünscht. Nach einer solchen Sitzung ändert sich in der Regel das Bewußtsein der Beteiligten. Manchmal werden auch strukturelle Änderungen vereinbart, zum Beispiel die Versetzung des Opfers in eine andere Abteilung.

Das Gespräch führte Jochen Zenthöfer.

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