Wenn Mobbing- Vorwürfe Methode haben
Gegen den Ruf, ein Mobber zu sein, kann man sich schwer wehren
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Wiesbaden (epd). Die Folgen von Mobbing können Arbeitsmediziner und Psychologen mittlerweile im Schlaf aufsagen: Schlafstörungen, Depressionen, Magengeschwüre, Herzinfarkte, Arbeitsunfähigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit, kaputte Beziehungen und gescheiterte Karrieren.

Das Problem ist erkannt und wird diskutiert. Selbsthilfegruppen entstehen, Gewerkschaften bieten Schulungen an, in Ämtern und Ministerien bilden sich Arbeitsgruppen, Betriebsvereinbarungen werden geschlossen, Anti- Mobbing- Broschüren am Arbeitsplatz ausgelegt. Norbert Copray, Direktor der Fairness-Stiftung (Frankfurt am Main), kritisiert die Tendenz, schlechtes Betriebsklima und unklare Führungsstrukturen mit „Feigenblättern“ wie Anti- Mobbing- Beauftragen oder betrieblichen Vereinbarungen bedecken zu wollen. „Solche Instrumente wirken nur, wenn sie eine klare und geradlinige Gesamtstrategie eingebunden sind“, erklärt er. „Wenn nicht, wirkt eine Anti- Mobbing- Vereinigung 6 Monate als Konfliktdämpfer und gerät dann in Vergessenheit.“

„Das erinnert mittlerweile an die ganzen Geschichten über sexuellen Missbrauch“

Schlimmstenfalls können ungenügend eingebundene Lösungsstrategien zur Eskalation genutzt werden: In die Wiesbadener Beratungsstelle „Balance“ kommen zunehmend Mobbingopfer im umgekehrten Sinn: Ihnen werden Mobbing-Methoden vorgeworfen. Eine Anschuldigung mit Folgen: der ganze voller guter Vorsätze entwickelte Anti- Mobber- Instrumentensatz richtet sich nun gegen das Opfer: schräge Blicke von den Kollegen, ernste Gespräche mit dem Chef, vielleicht Ärger mit dem Betriebsrat, sogar Abmahnungen und Kündigungen. „Das erinnert mittlerweile an die ganzen Geschichten über sexuellen Missbrauch“, stellt Beratungsstellenleiter Lothar Drat fest. „Oft kann man nichts beweisen, manchmal gibt es nicht mal Anhaltspunkte, aber das Gerücht setzt sich fest und schadet den Betroffenen.“

Zwar sind meist simple Missverständnisse die Ursache- für viele heißt „mobben“ schlicht „gemein behandeln“. Und so fühlen sich auch Teenager von ihren Eltern „ gemobbt“, Steuerzahler vom Finanzminister und Verkehrssünder von der Polizei. Das sind sicher oft harte und intensive Konflikte“, unterscheidet Drat, „aber zu wirklichen Mobbing fehlt meist die Systematik, das Ziel des Herausdrängens und die Willkürlichkeit des Anlasses. Viele Fälle kann man einfach in einem vernünftigen Gespräch klären“.

Schwieriger wird es, wenn der falsche Vorwurf absichtlich in den Raum gestellt wird. Dann nämlich mobbt der Ankläger: Im bundesweiten Mobbing- Report der Sozialforschungsstelle Dortmund steht die Verbreitung von „Gerüchten und Unwahrheiten“ ganz oben auf der Liste der häufigsten Mobbing- Methoden.

An die 10% der Mobbingopfer in Drats Beratungsstelle haben mit ungerechtfertigten Mobbing- Vorwürfen zu kämpfen, Tendenz steigend. Beate Beermann, Psychologin bei der Bundesanstalt für Arbeitschutz und Arbeitsmedizin (Dortmund) „Die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt , gepaart mit einer weit verbreiteten „Ellenbogenmentalität“, fürchtet sie, „lässt einigen Mobbing als akzeptables Mittel im Kampf um den Arbeitsplatz erscheinen“.

Auch der Dortmunder Rechtsanwalt Uwe Schönborn hat festgestellt, dass der Trend zu Mobbing in Krisenzeiten steigt- oft würden die Sticheleien sogar „gezielt zum Personalabbau genutzt“. Das Kalkül: Der Arbeitgeber spart die Abfindung und vermeidet Konflikte mit dem Kündigungsschutz – der Gemobbte geht schon irgendwann selbst.

Auch in Schönborns Kanzlei klagen immer mehr Opfer über ungerechtfertige Mobbing- Vorwürfe. … Große Hoffnungen auf Erfolg vorm Arbeitsgericht, Schmerzensgeld gar, kann er ihnen nicht machen: Gerade Gerüchten und ungerechtfertigten Mobbing- Vorwürfen ist kaum mit Beweisführung und Unterlassungsklage beizukommen: Den über den Schreibtisch geleerten Papierkorb kann das Opfer fotografieren, für Schrei- Attacken gibt es Zeugen, aber ein Gerücht? Ein Gerücht ist da, keiner weiß, wo es herkommt, aber es könnte ja was dran sein.

Nicolai Link

Weitere Informationen:

-Lothar Drat, Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing (VPSM, Wiesbaden), Leiter der Beratungsstelle „Balance“: 0611-9570381. www.vpsm.de

-Norbert Cporey, Direktor Fairness- Stiftung (Frankfurt am Main): 069-78988144

-Beate Beerman, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Dortmund): 0231-9071238

-„Wenn aus Kollegen Feinde werden“, Ratgeber der Bundesanstalt für Arbeitschutz und Arbeitsmedizin: http://www.baua.de/down/mobbing.pdf

-Mobbing- Report (Kurzfassung): http://www.sfs-mobbing-report.de/mobbing1024/kurz.pdf

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