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Mobbing ist weder Berufskrankheit noch Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung

Mit Urteil vom 23.10.2012 (Aktenzeichen L 3 U 199/11 hat das Landessozialgericht Hessen  entschieden, dass Mobbing am Arbeitsplatz weder als Berufskrankheit noch als Arbeitsunfall von der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigen ist.

Das Urteil ist unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de  im Internet einzusehen. Unter dem Aktenzeichen B 2 U 380/12 B ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht anhängig, denn das Landessozialgericht hatte die Revision nicht zugelassen.

Klägerin war eine als Schreibkraft arbeitende Frau aus dem Landkreis Fulda, die aufgrund über sie im Umlauf  gebrachter negativer Gerüchte am Arbeitsplatz an psychischen Gesundheitsstörungen litt und  deswegen mehrfach arbeitsunfähig  war sowie stationär in einer psychosomatischen Klinik behandelt wurde.

Hierfür beantragte sie eine Entschädigung von der gesetzlichen Unfallversicherung,  die von der Unfallkasse Hessen sowie dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht Hessen abgelehnt wurde.

Das Landessozialgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass Mobbing sowie die hierauf beruhenden Gesundheitsbeeinträchtigungen keine anerkannten Berufskrankheiten seien, da sie nicht in der maßgeblichen  Berufskrankheiten-Verordnung im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII enthalten sind. Ein Anerkenntnis als Berufskrankheit im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII komme nicht in Betracht, weil es keine Erkenntnisse dafür gäbe, dass eine bestimmte Berufsgruppe  in ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Maße als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt sei. Mobbing komme vielmehr in allen Berufsgruppen und auch im privaten Umfeld vor. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor,  da das Tatbestandsmerkmal des zeitlich begrenzten Ereignisses (die Rechtsprechung zieht hier die Grenze bei einer Arbeitsschicht)  bei Mobbing – dessen Besonderheit ja die fortgesetzten, aufeinander aufbauenden oder ineinander übergreifenden Angriffe sind, die in ihrer Zusammenfassung zu der Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers führen – nicht vorliege.

Dem Urteil ist grundsätzlich zuzustimmen, auch wenn dies zunächst für die von Mobbing betroffenen Personen schwer nachzuvollziehen sein mag. Diese sind nicht völlig schutzlos, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 09.03.2011 zum Aktenzeichen IV ZR 137/10, veröffentlicht in der NJW Heft 23/2011, Seiten 1675 ff)  eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 1 (3) MB/KT 94 (Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung auch dann vorliegt, wenn sich der Versicherte an seinem Arbeitsplatz einer tatsächlichen oder von ihm als solcher empfundenen Mobbingsituation ausgesetzt sieht, aufgrund derer er psychisch oder physisch derart erkrankt, dass er seinen bisher ausgeübten Beruf in seiner konkreten Ausprägung nicht mehr ausüben kann.

Das Gericht konnte sich auch nicht über die Rechtsverordnung nach § 9 SG VII hinwegsetzen, in der Mobbing bzw. dessen Folgen eben nicht aufgeführt sind. Ebenso wenig kann man dem Gericht das Fehlen wissenschaftlicher Erkenntnisse vorwerfen, die deren Aufnahme in die Rechtsverordnung nahegelegt hätten. Tatsächlich kann Mobbing auch jeden treffen und ist nicht an bestimmte Berufsfelder gebunden, auch wenn es in einigen häufiger vorkommen mag als in anderen. Eine Aufnahme nur bei einzelnen Berufsfeldern würde in anderen Berufen tätige Personen benachteiligen und sollte deshalb unterbleiben.

Darüber hinaus würde ein Ausgleich von Mobbingfolgen über die gesetzliche Unfallversicherung  bedeuten, dass man das planmäßige Handeln eines Mobbers auf die gleiche Stufe stellt wie ein fahrlässiges Verhalten, dass auf einer einmaligen Unachtsamkeit beruht. Dies sind aber zwei völlig unterschiedlich gelagerte Sachverhalte. Verwischt man diesen Unterschied, wird Mobbing zu einem gleichsam zufälligen, unabwendbaren Ereignis, bei dem der Verursacher völlig aus dem Blickfeld verschwindet, wie schon jetzt die Definition des Arbeitsunfalls in § 8 Abs. 1 SGB VII belegt. Dies erleichtert es dem Mobber, die finanziellen Folgen seines Verhaltens auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Zur Eindämmung von Mobbing würde dies nicht beitragen.  Will man Mobbing eindämmen, muss man vielmehr das Risiko des Mobbers erhöhen.   

Stefan Rodenhäuser

Rechtsanwalt

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